© GEOlino (Katharina Beckmann) / November 2007
Astrid Lindgren mit ihren Büchern |
Vor 100 Jahren wurde Astrid Lindgren geboren, die berühmteste Kinderbuchautorin der Welt. Rund 145 Millionen Mal sind ihre Bücher bislang verkauft worden! Doch der Erfolg ist der Schreiberin aus Schweden nie zu Kopf gestiegen.
"Mami, erzähl mir von Pippi Langstrumpf!"
"Pippi wer?"
Astrid Lindgren blickt ihre Tochter Karin verdutzt an. Die Siebenjährige liebt es, sich lustige Namen auszudenken. Aber dieser ist nun besonders schräg. Wie ist Karin bloß darauf gekommen?
Der Winter 1941 ist kalt, hier in Schwedens Hauptstadt Stockholm. Seit Tagen liegt Karin hustend und mit Fieber im Bett. Fantasiert sie jetzt etwa schon? Astrid fragt nicht weiter, überlegt einen Moment - und erfindet kurzerhand Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, "Pippi" genannt. Ein Mädchen mit karottenroten Zöpfen, das allein in der Villa Kunterbunt wohnt. Nur das Äffchen Herr Nilsson ist bei ihm und der Kleine Onkel, ein Pferd, das Pippi, wenn sie das Haus putzen muss, einfach auf die Veranda trägt. Denn Pippi ist das stärkste Mädchen der Welt. Und sie tut, was ihr gefällt!
Karin schließt die freche Göre gleich ins Herz, will immer neue Geschichten hören. Auch als sie längst nicht mehr krank ist. So schreibt Astrid Pippis Abenteuer schließlich auf und schenkt sie ihrer Tochter zum Geburtstag, damit diese die Geschichten immer wieder lesen kann. Eine Kopie schickt Astrid an einen angesehenen schwedischen Verlag. Doch dessen Chef lehnt dankend ab: Er fürchtet, dass seine Kinder auf dumme Ideen kommen, wenn sie sich diese Pippi zum Vorbild nehmen.
Eine Fehlentscheidung, über die sich der Chef später schwarz geärgert haben dürfte: Kurz darauf bringt ein anderer Verlag "Pippi Langstrumpf" heraus. Das Buch ist bis heute millionenfach verkauft und in 57 Sprachen übersetzt worden. Und Astrid Lindgren gilt als die berühmteste Kinderbuchautorin der Welt. Weil sie Geschichten erzählt, in denen Kinder frech, fröhlich und verrückt sein dürfen - eben Kinder. Sie selbst wäre es gern ihr Leben lang geblieben!
Astrid Lindgrens bekannteste Figur ist "Pippi Langstrumpf". Vielleicht weil viele Menschen - Erwachsene wie Kinder - gern so wären wie sie. Ein österreichischer Journalist behauptete sogar, dass manche Autofahrer nur deshalb bei Rot über die Ampel fahren, weil sie denken "Pippi" würde das genauso machen.
Astrid Lindgren als Kind 1918 posiert die Zehnjährige (3. von links) mit ihren Eltern Samuel und Hanna sowie den Geschwistern Ingegerd, Stina und Gunnar (von links) fürs Familienfoto. |
Am 14. November 1907, vor genau 100 Jahren, kommt Astrid auf dem Hof Näs nahe dem Städtchen Vimmberby im südschwedischen Småland (sprich: Smoland) zur Welt. Das Haus der Eltern Hanna und Samuel Ericsson ist rot getüncht und hat weiße Fenster, durch die man den tiefgrünen Wald sehen kann.
Auf Näs erlebt Astrid mit ihren drei Geschwistern genau jene Bilderbuchkindheit, die sie in ihren Geschichten über Pippi und "Kinder von Bullerbü" für immer festhalten wird: Ewig stromern sie durch Frühlingswiesen, pflücken im Sommer saftige Kirschen, die sie sich an die Ohren hängen. Im Winter bewachen Schneemänner den Bauernhof. "Die beste Zeit meines Lebens war, wenn ich spielen durfte. Ich fand es nicht besonders lustig, größer zu werden", erzählt Astrid später einmal. Und Pippi spricht ihr aus der Seele, wenn sie erklärt, dass Erwachsene langweilig sind: "Sie haben nur einen Haufen Arbeit und komische Kleider und Hühneraugen."
Aber es hilft nichts, Astrid wird erwachsen. 1924, nach ihrem Schulabschluss, verlässt sie Näs und zieht nach Vimmerby, um dort für eine Zeitung zu schreiben. Sie freut sich auf die Freiheit, die das Stadtleben verspricht. Doch die 17-Jährige spürt nichts davon: Als sie sich die Haare kurz schneiden lässt, gaffen die Leute sie nur blöd an. Und dann wird sie auch noch schwanger - von einem verheirateten Mann. Eine Schande, sagen viele! Astrid muss Vimmerby verlassen, geht nach Stockholm und fängt dort mit ihrem Sohn Lars ein neues Leben an. Sie findet Arbeit als Sekretärin, lernt ihren späteren Mann Sture Lindgren kennen.
1934 wird Karin geboren.
Pippi, die mit ihren Bärenkräften selbst Polizisten auf Bäume wirft und beim Kaffeekränzchen Sahnetorte mit den Fingern schaufelt: Dieses Mädchen ist auch eine leise Rache an den spießigen Kleinstädtern, die sie verspottet haben und vor denen sie fliehen musste.
Astrid Lindgren an der Schreibmaschine und das Familienhaus in Näs |
Der Erfolg von "Pippi" macht aus Astrid Lindgren schnell einen Star. Die aber gibt sich bescheiden: "Ich bin nur ein Bauernmädchen aus Småland", sagt sie und lebt ihr einfaches Leben weiter.
Schreiben macht sie glücklich. Vor allem die vielen schönen Erinnerungen an ihre Kindheit in Südschweden fließen in die Geschichten ein.
Das Haus in Näs etwa, in dem sie aufwuchs, taucht in "Wir Kinder aus Bullerbü" wieder auf.
Vor der Arbeit setzt sie sich oft an den Schreibtisch und füllt Seite um Seite mit handschriftlichen Notizen, die sie am nächsten Morgen abtippt. "Wenn ich schrieb", erzählt Astrid, "war ich für alle Sorgen unerreichbar."
Und davon gibt es einige: Ihr Mann, ihr Bruder, ihr Sohn sterben. All die traurigen Erlebnisse verarbeitet sie in dem Buch "Die Brüder Löwenherz": Als Krümel, ein Zehnjähriger, erfährt, dass er bald sterben muss, weint er bitterlich. Er fürchtet sich davor, tot in der Erde zu liegen. Nur sein Bruder Jonathan kann ihn trösten: "Was da liegt, ist doch nur so etwas wie eine Schale von dir. Du selber fliegst ganz woanders hin."
1981 vollendet Astrid Lindgren mit "Ronja Räubertochter" das letzte ihrer Kinderbücher.
Astrid Lindgren mischte sich auch in die Politik ein, hielt Reden gegen Rechtsradikale und Ausländerhass und nahm sich die harten Jungs sogar persönlich zur Brust.
Der "Schwedin des Jahrhunderts" ist in Stockholm ein Denkmal gesetzt worden.
Am 28. Januar 2002 stirbt sie. Doch Astrid, die niemals hat erwachsen werden wollen, lebt in den Kindern ihrer Geschichten weiter. In "Karlsson", "Michel", "Madita" - und in "Pippi" ...
Weit über 100 Werke hat Astrid Lindgren im Laufe ihres Lebens verfasst. Auf die Frage, wie sie das geschafft habe, sagt sie einmal:
Ich fand Bücherschreiben eben genauso lustig wie Lesen.
GEOlino stellt euch ihre bekanntesten Titel vor:
Pippi hat Bärenkräfte, einen starken Willen und ein großes Herz. Sie schenkt Einbrechern Goldstücke und würde Gespenster nur angreifen, wenn sie beißen. Angst hat sie nur vorm Traurigsein. Damit es gar nicht so weit kommt, unternimmt sie die lustigsten Dinge.
Die erfolgreichste und bekannteste Verfilmung der Pippi Langstrumpf Bücher stammt aus den Jahren 1968-1970 mit Inger Nilsson in der Hauptrolle. Seit 2006/2007 gibt es wunderbar restaurierte Versionen der TV-Serie und der Spielfilme auf DVD.
Kalle ist ein normaler Junge, der in der Kleinstadt Kleinköping lebt. In seinen Träumen aber ist er ein weltbekannter Detektiv. Seine Freunde lachen, wenn er davon erzählt. Bis zu jenem aufregenden Tag ...
Kalle Blomquist wurde 1953 erstmalig verfilmt. Im Jahre 1997 entstanden dann unter der Regie von Göran Carmback modernisierte Fassungen der spannenden Kinderkrimis. Diese kannst du dir im Fernsehen oder auf DVD anschauen:
» Kalle Blomquist lebt gefährlich & Sein neuester Fall
Bullerbü ist ein Paradies für Kinder: Lasse, Bosse, Lisa, Britta, Inga, Ole und Kerstin spielen im Wald und auf den Wiesen. Pause machen sie nur, um zu essen oder zur Schule zu gehen. Wer dort noch nicht still sitzen kann, dem sagt die Lehrerin: "Geh spielen, komm nächstes Jahr wieder!"
Die Bullerbü-Geschichten wurden bereits in den Jahren von 1960 - 1962 erstmalig in Schweden als 13-teilige Kurzfilmserie verfilmt. 1986 begannen dann die Dreharbeiten zu einer neuen Reihe von Bullerbü-Filmen, die pünktlich zu Astrid Lindgrens 80tem Geburtstag im Jahre 1987 erstmalig ausgestrahlt wurden.
Die beiden Filme Wir Kinder aus Bullerbü & Neues von den Kindern aus Bullerbü kannst du dir auf DVD anschauen oder von Zeit zu Zeit im Fernsehen.
Bosse wächst nicht so behütet auf wie die Kinder aus Bullerbü. Er lebt bei Pflegeeltern in Stockholm. Seine Mutter ist tot, der Vater fort. Irgendwann aber taucht ein Geist auf und nimmt den Jungen mit in ein fernes Land. Dort erfährt Bosse, dass er in Wirklichkeit Prinz Mio ist - und die Welt vom bösen Ritter mit dem steinernen Herzen befreien soll.
Mio, mein Mio Mio, mein Mio wurde 1987 mit Nicholas Pickard in der Hauptrolle verfilmt - einer der wenigen Filme aus der Astrid-Lindgren-Stube, für den die Autorin nicht selbst das Drehbuch geschrieben hat.
Den Film Mio, mein Mio gibt es ebenfalls als DVD zum Kaufen oder Ausleihen.
Karlsson fliegt wie ein Hubschrauber, lügt wie gedruckt und sorgt im Zimmer seines Freundes Lillebror für Chaos. Warum aufräumen? Kinder, das predigt Karlsson ohne Pause, müssen lernen, sich gegen die sinnlosen Befehle der Erwachsenen zu wehren.
Im Dezember 1974 flog Mats Wikström als Karlsson vom Dach erstmalig über eine schwedische Kinoleinwand. Dank der technischen Unterstützung englischer James-Bond-Experten wurden die Flugkünste des kleinen, dicken Mannes damals in der Presse hoch gelobt.
Die DVD zum Film Karlsson auf dem Dach kannst du bei Amazon kaufen oder ausleihen.
Madita will eigentlich ein braves Mädchen sein, immer nimmt sie sich das vor. Doch leider gelingt ihr das selten. Denn sie hat so viele verdrehte Einfälle: Erbsen in die Nase stecken oder auf dem Dach balancieren. Meistens überlegt sie erst hinterher, wozu das führen kann.
In den Jahren 1978/79 spielte Jonna Liljendahl die Madita in der Verfilmung des Buchstoffes. Die Fernsehserie aus diesem Filmmaterial wurde vom ZDF erstmalig als 10-Teiler im Jahre 1987 ausgestrahlt.
Heute gibt es das "alte" Filmwerk in Ton und Bild restauriert in Form von 2 Filmen in Spielfilmlänge auf DVD: Madita und Madita & Pim.
Michel ist der liebste Junge der Welt. Allen will er nur Gutes, aber so ganz klappt das nie: Er füttert die Hühner mit Schnapskirschen - bis sie betrunken umfallen. Einmal stülpt er sich die Suppenschüssel über den Kopf, leckt die letzten Tropfen aus - und bleibt prompt stecken!
Zwischen den Jahren 1971 und 1973 wurden die Geschichten von Michel aus Lönneberga mit Jan Ohlsson in der Hauptrolle verfilmt.
Ähnlich wie bei den Pippi-Langstrumpf-Filmen gibt es vom Blondschopf Michel aus Lönneberga heute ebenfalls einen Satz Michel aus Lönneberga - Spielfilme und eine Michel aus Lönneberga - TV-Serie.
Familie Melcherson mietet ein Häuschen auf der Insel Saltkrokan, um dann festzustellen, dass es Löcher im Dach hat. Doch der Ärger darüber versiegt schnell: Die Familie schließt Freundschaft mit Tjorven. Die ist gerade mal sechs Jahre jung und ständig mit ihrem Bernhardiner Bootsmann unterwegs. Was alle gemeinsam erleben, erzählt Tjorven so frech und weise, dass man Astrid Lindgren in jedem Wort erkennt.
Nach einem Drehbuch von Astrid Lindgren entstand 1964 eine 13-teilige Fernsehserie über die Ferienerlebnisse der Familie Melcherson. Zur gleichen Zeit wurden mit denselben Schauspielern Kinospielfilme zu den Ferien auf Saltkrokan gedreht, die auf DVD kauf- und ausleihbar sind.
Der kleine Krümel muss sterben. Nur sein Bruder Jonathan kann ihn trösten. Er erzählt von dem Land Nangijala, in das man nach dem Tod fliegt. Es liegt, sagt Jonathan, irgendwo hinter den Sternen. Sehr traurig, aber auch sehr tröstlich.
Der Film Die Brüder Löwenherz wurde zwischen Mai 1976 und Januar 1977 in Schweden, Dänemark und auf Island gedreht.
Am Tag, als Ronja geboren wird, zucken Blitze über die Mattisburg. Von dort aus erkundet Ronja bald ganz allein den Wald mit seinen Lichtungen und klaren Bächen. Bis sie Birk kennenlernt, den sie hassen müsste, weil er zur feindlichen Räuberbande gehört. Doch die beiden werden Freunde - und schaffen es am Ende, ihre Familien zu versöhnen.
Die Abenteuer von Ronja und Birk, den Wilddruden, Grausedruden, Graugnomen, Rumpelwichten und Dunkeldruden wurden mit Hanna Zetterberg in der Hauptrolle zwischen August 1983 und Juni 1984 verfilmt. Parallel zum Kinofilm Ronja Räubertochter entstand seinerzeit eine 3-teilige TV-Serie Ronja Räubertochter, die insgesamt 20 Minuten länger ist als der Spielfilm.
© GEOlino (Katharina Beckmann) / November 2007